Wenn man in Neuseeland Superlative sucht, dann wird man fast überall fündig. „Der weltgrößte Gummistiefel“, „Welthauptstadt der Forelle“ oder zumindest der oder die größte … (was auch immer) der südlichen Hemisphere. Auch Dunedin stellt da keine Ausnahme dar.
Der Rote Baron wurde in Sichtweite unserer Wohnung geparkt (er sollte sich ja nicht allzu allein fühlen) und wir hatten seit einiger Zeit einmal wieder das Vergnügen eine Stadt zu Fuß zu erkunden. Verlässt man die Herit Row in Richtung Stadt, so fällt dem geübten Beobachter sofort auf, dass auf dem Rückweg mit erheblichem Anstieg zu rechnen ist.
Man hat das Gefühl, die Stadt wurde an einem ausgemusterten Weinberg erbaut. In der Gegend rund um unsere Haus befinden sich verschiedene Internatsschulen. Keine Seltenheit. Kommen doch die meisten Jungs und Mädels aus einem der vielen kleinen Häuser im Nirgendwo.
Bei diesem Anblick erwartet man das früher oder später ein Junge namens Harry mit Brille und Narbe aus der Eingangstür spaziert kommt. Wir haben lange gewartet und schließlich kam sogar jemand. Das war zwar nicht Harry Potter, aber immerhin die waschechte Hausherrin der Mädchenschule. Wahrscheinlich sahen wir wie glückliche Jungeltern aus, denn wir bekamen spontan eine Führung durch die Schule. Dazu eine Auflistung aller Annehmlichkeiten und Reputation der Schule. Schön schön. Ich bin fast geneigt hier selber noch einmal zu Schule zu gehen … leider würde ich hier als einziger Junge wahrscheinlich auffallen. Nach dieser Anstrengung geht man am besten in eine der vielen Sushi-Bars.
Unterwegs in der Stadt trifft man auf kleine Häuschen und zeitgenössische Kunst. Vielleicht wollte der Hausbesitzer aber auch nicht das jemand anderes seine Wände bemalt …
An sonnigen Tagen dann, erinnert mich Dunedin ein bisschen an unsere alte Heimat in Deutschland. Mildes Klima und immer einen Strand in der Nähe. OK, zu Hause war das etwas anders, aber durch den Staub auf unseren Landstraßen, dem Strand des begnadeten Autofahrers, hatte man auch im nu eine ordentliche Bräune.
Wir verlassen unsere Wohnung und fahren 15 Minuten bis zum Strand im kleinen Ortsbereich St. Clair. Ein beliebter Platz wenn man mit seinem Hund Gassi gehen will. Da wir keinen Hund haben, hat sich Babs spontan dazu entschlossen mit mir Gassi zu gehen. Mir solls recht sein, bei dem Strand waren meine ersten Worte sowieso so etwas wie Wau.
Wer abenteuerlustig genug ist, den zieht es sicherlich bald in die steilste Straße der Welt. Wer das nicht glaubt kann sich im Haus Nr. 4 eine selbst getöpferte Plakette holen die dies bescheinigt. Da werden auch die letzten Zweifler unter euch aufgeben müssen. Wenn die Bewohner der Baldwin Street Post bekommen, dann sind sie sicher die Einzigen, die sich eine Karte auch wahlweise in die „Worlds Steepest Street“ schicken lassen können.
Beim erklimmen der Straße kann man eigentlich immer sicher sein, ein paar merkwürdige Touristen in mehr oder weniger ausgeklügelten Posen zu beobachten. Schon deshalb ist diese Straße ein wahres Mekka für jeden Neuseelandbesucher.
Nach diesem Catwalk ist das Interesse an etwas deftigem für Zwischendurch natürlich gewaltig. Aber dafür haben wir hier in Dunedin genau das Richtige. Glücklicherweise haben Babs und Ich bei einem unserer Einkäufe einen lang vermissten Schatz der Heimat wieder entdeckt. Eine Thüringer Bratwurst. Stilecht und von jeher zwischen Salami und geräuchertem Beef gelagert.
Was allerdings ist der oder die „Luscutto“? Ist dies etwa der ur-ursprüngliche Name der Thüringer Bratwurst. Lässt dies etwa auf italienische Wurzeln schließen. Die Antwort scheint viel simpler. Wie sich heraus gestellt hat, war „Luscutto“ der Name des Metzgers der in diesem Geschäft versehentlich seine Finger in der Wurstmaschine verlor. Anders ist der Anblick dieser Würste auch gar nicht zu erklären. Ein weiteres Indiz für diese Erklärungsversuch sind die „Landjager“ Würste oben links im Bild. Selber Metzger, doch dieses Mal waren es wohl die Finger des Lehrlings. Wir wünschen auf diesem Wege gute Besserung und halten uns weiterhin an Sushi.
Natürlich haben wir uns in Dunedin nicht nur die Däumchen unserer Wurstfinger gedreht, sondern sind wenn das Wetter am Wochenende nicht anders erlaubte, in die Museen der Stadt gegangen. Ob Maori-Kultur, Wunder der neuseeländischen Tierwelt oder eine Kunstausstellung zum „German Zeitgeist“ zur letzten Hälfte des 20ten Jahrhunderts. Man fühlte sich immer irgendwie Willkommen.
Weiterer Pluspunkt für die Museen in Neuseeland ist dabei natürlich, dass fast alle von ihnen kostenlos sind. Für uns war schon nach kurzer Zeit klar: Dunedin ist unsere Wahlheimat fern von Zuhause. Wollten wir Anfangs lieber in Wellington überwintern und arbeiten, so hat uns das Schicksal schließlich doch hierher gebracht. Die Stadt ist nicht zu klein, hat viele schöne Dinge zu entdecken und wenn man mag, so ist man innerhalb kürzester Zeit an einem der vielen wunderschönen Strände oder inmitten der Natur.
Die abschließenden beiden Bilder beenden zwar noch nicht die Berichte über unseren fast dreimonatigen Aufenthalt hier, doch stellen sie uns während der letzten Tage in dieser Stadt dar. Ein letzter Lobesgesang auf Stadt und Pizza und ein kleines Abschiedsessen mit unsern Freunden.
Das keine Tränen geflossen sind lag wahrscheinlich diesmal nur daran, das wir an diesem Abend unseren eigenen Wein zum Abendessen ins Restaurant mitgebracht haben. Sonst wäre mir sicherlich eine Kostenträne gekullert. Vielleicht überlegen wir uns diese Tradition neuseeländischer Restaurants und Gaststätten auch einmal in Deutschland. B.Y.O. – „Bring Your Own“, einfach mal den eigenen Wein mitbringen und gegen eine geringe „Entkorkungsgebühr“ zum Essen schlürfen. Vielleicht lassen wir diese Tradition aber auch hier und sorgen uns somit um die armen deutschen Gastwirte. Mehr Strände, die Suche nach Pfeifen aus Stein und ein Nachmittag in gepflegt chinesischer Atmosphäre gibt es im nächsten Abenteuer der Wurstpiraten Babs und Nils.
Die Rumtreiber
Es ist soweit. Der Winter hat uns gefunden, obwohl wir dachten ihn auf dem Weg nach Neuseeland hinter Singapur abgehängt zu haben. Es ist Mai 2008 und die Rumtreiber sind auf der Suche nach einer Bleibe über die Wintermonate und einen geeigneten Platz zum arbeiten.
Der rote Baron schaut ganz traurig drein, als wir ihm von unseren Plänen erzählen, die nächsten Monate nicht in seinem geräumigen Innenraum zu verbringen. Aber er schweigt. Was soll er auch sagen, er ist ja ein Auto und kommuniziert meist nur über die Tankanzeige.
Warum Dunedin? Diese Frage haben wir uns auch gestellt, war es doch unser Plan gewesen, den Winter in Wellington zu verbringen. Großstadt, Wellywood, Te Papa und immer einer steife Brise locken in die Hauptstadt. Leider ist der Weg dahin recht lang und kostspielig, wenn man sich am Ende der Südinsel befindet. Außerdem haben wir ja längst nicht alles gesehen was wir uns vorgenommen hatten. In Te Anau beschließen wir unsere französischen Freunde aus Dundin zu besuchen, die wir von der Arbeit auf dem Weinberg kennen.
Wir eröffnen die erste deutsch-französische Kommune hier und verbringen die ersten zwei Wochen in der Wohnung von Alex, Julia und Gregoire. So langsam lernen wir die Stadt kennen und beschließen hier zu bleiben. Mildes Klima, viele Strände und Männer mit Dudelsäcken flüstern uns zu: „Bleibt doch da!“
Männer mit Dudelsäcken? Das kann doch nur eines bedeuten! Richtig geraten, wir befinden uns in einer schottischen Enklave am anderen Ende der Welt. Hätten wir mal lieber im Reiseführer gelesen. Dann hätten wir wohl gewusst das Dunedin ein anderes Wort für Edinburgh ist. Gälisch war aber leider noch nie so unsere Stärke. Es ist Absolvententag und die halbe Stadt ist auf den Beinen.
Alle Mädels und Jungs sind prachtvoll gekleidet und ziehen gemeinsam feierlich durch die Stadt. Ich komme nicht umhin dabei an meinen Absolvententag zu denken … Karohemden und Jeans der Maschinenbau und Informatiker-Kommilitonen, dazu feierliche Musik der lokalen Musikschule, die schroffen Damen vom Prüfungsamt sind auch da und in gutbürgerlicher Mensaatmosphäre gab es dann Diplome, Blumen und ein Glas Sekt. Alles in allem also fast genauso wie auch hier in Neuseeland.
Irgendwie hat es die Stadt Dunedin außerdem geschafft, die Loveparade zu einem Gastspiel hierher zu bewegen. Seid Berlin nicht mehr so recht will geht man eben dahin wo es noch genügend Feierfreudige und unberührte Stadtparks gibt. Schaut man sich folgendes Bild einmal genauer an sieht man außerdem links unten den von New Zealands Next Topmodel eingebauten Editorial Shot. Der Junge Mann in der Mitte zeigt, dass auch ein Lächeln mit allen Zähnen nicht aufgesetzt wirken muss.
Alex und Julia wollen Neuseeland bald in Richtung Heimat verlassen. Das bedeutet für uns leider, dass wir nicht unbegrenzt lang zusammen wohnen können. Auf also zur Wohnungssuche. Bevor allerdings gesucht wird, gibt es Grund zum Feiern. Alex hat Geburtstag. Am Abend seiner Feier lernen wir eine Menge Studenten und anderer zwielichtiger Gestalten aus Dunedin kennen. Unter anderem die musikalische Untermalung des Abends. Jono und Band. Die Musik ist recht beschwingt alternativ und handelt von Afrika und seinen vielen Sorgen. Wir kommen mit Jono ins Gespräch und erfahren das seine WG noch Mitbewohner sucht. Nur 70 Dollar die Woche soll das Zimmer für uns beide kosten. Wir beschließen eine kurze Besichtigung der Wohnung.
Das Zimmer ist ganz nett und wir einigen uns darauf, uns auf ein Potluck zu treffen, damit uns alle anderen Mitbewohner auch einmal in Ruhe kennenlernen können. Ein Potluck ist ein Abend, an dem man sich trifft, feiert und jeder etwas anderes zu Essen und zu Trinken mitbringt. Alles was wir von der WG wissen ist, das außer Jono noch 3 andere dort wohnen. Eine Wohnung voller (Lebens-)Künstler und Veganer. Wir beschließen ein ordentliches Mussaka zu kochen. Hackfleisch mit Käse und Auberginen. Damit, wie Oma es ausgedrückt hätte, aus denen auch etwas ordentliches wird. Das Haus liegt im Norden von Dunedin. Gemütliche Gegend mit einer Hanglage wie am Weinberg. In der Wohnung treffen wir auf Jono, Elsbett sowie Mitbewohnerin 3 und Mitbewohner 4. Von MiBeWo 3 und 4 fallen uns leider die Namen nicht mehr ein. Jono schlägt sich so durchs Leben und macht meistens Musik mit seiner Band. Wenn er keine Musik macht stellt er die Welt in Frage und geht laufen. Dadurch, sagt er mir, erreicht er den Urzustand des Menschen mit all seinen animalischen Wurzeln. Das verstehe ich zwar nicht wirklich, aber immerhin finde ich es gut das er sich bewegen tut. Ist ja nichts schlechtes. Elsbett ist meine Favoritin, wenn es um die WG geht. Als ich sie erblicke trägt sie ein klassisches Outfit aus, wie mir scheint, unverarbeiteter Schurwolle mit einem Großmütterchenkopftuch und kocht. Elsbett ist ebenfalls Künstlerin und studiert noch. MiBeWo 3 arbeitet künstlerisch mit behinderten Kindern. MiBeWo 4 ist, wie man nun bereits vermuten könnte, ebenfalls Künstler und malt mit Vorliebe Comicfiguren deren Extremitäten neben dem Körper liegen. Außerdem liefert er sich mit imaginären Straßen-Gangs einen Wettstreit, indem er versucht Symbole einer ebenso fiktiven Gruppe zu verbreiten.
Babs und ich einigen uns, dass wir nicht gleich wieder gehen, sondern der Bande eine Chance geben. Immerhin sind wir ja hier alle tolerant und „easy-going“. Oder vielleicht auch nicht … Wir werden interviewt zu Weltanschauung, Interessen, Vorlieben und bevorzugten Duschzeiten. Hmmm Ok. Außerdem kauft man wöchentlich zusammen ein und jeden Abend kocht jemand anderes das Abendessen. Schöne Idee, wenn da nicht die Liste wäre. Ja genau, die Liste. Auf ihr stehen Dinge die auf keinen Fall in der WG gegessen bzw. getrunken werden. Dazu zählen Nachtschattengewächse, Gewürze (z.B. Salz), bla bla bla. Im Grunde genommen repräsentiert dieser Zettel den durchschnittlichen Einkaufszettel während meiner Studienzeit. „Mit was würzt ihr denn?“ Mit Dingen wie Keltischem Salz und Hefeextrakten natürlich! Das leuchtet ein. Ich überlege, ob ich als Ergänzung für die Zukunft Tibethanisches Walnußöl vorschlage …
Der weitere Abend verläuft recht nett. Wir essen, trinken und machen Musik mit Jono. Dabei spielt Babs auf einer Dose voll Reis und ich präsentiere meine berühmten Schnippsfinger. Alex und Thomas, unsere beiden Franzosen schnappen sich weitere Gitarren und spielen beinahe so wie Santana zu Bestzeiten. Am Ende des Abends werden Nummern ausgetauscht, man umarmt sich und verspricht sich die nächsten Tage zu melden. So richtig wohl ist uns nicht mit der Wohnung und dem Zimmer. Es beschleicht uns der Gedanke, nicht so recht hinein zu passen. Wir verbringen die nächsten Tage mit Wohnungssuche per Zeitung. Obwohl mir Jono kurz nach dem Abend per SMS bescheinigt, dass die „Vibrations“ stimmen und es kein freies Tibet ohne ein freies China geben wird, hören wir in den nächsten Tagen nichts.
Wir beschließen nicht in die WG zu ziehen und finden schließlich eine passende Wohnung, die wir flexibel kündigen können, in der Nähe des Stadtzentrums. Über eine Straße mit gefühlten 45° Steigung erreicht man das kürzlich renovierte Anwesen an der Heriot Row 34.
Unsere Vermieterin heißt Sally. Sie ist ein waschechter Kiwi und besitzt einige Anwesen in Dunedin. Außerdem unterichtet sie Klassen in „Lifestyle“. Dort kann man lernen wie man Käse macht oder Häuser für eine Hochzeit dekoriert. Sally erzählt uns von den Bewohnern der anderen Apartments. Dabei scheint es, dass man entweder Doktor oder Regisseur sein muss um hier zu wohnen. Eine „kurze“ 2 stündige Tour zeigt uns obendrei auch die anderen freien Apartments mit „einigen kurzen“ Geschichten zu jeder. Z.B. das die Wände nur deshalb keine Tapete haben da dies dem französischen Stil entspreche indem die Wohnung dekoriert sei. Oder von dem Filmteam nebst Regisseur und dem Schauspieler Hugh Jackman die hier und auf dem Nachbaranwesen einige Wochen wegen Dreharbeiten hier wohnten. Ganz klar ihr Favourit, denn diese Geschichte wird ca. zehn mal wiederholt im Verlaufe unserer Zeit hier. Als sie erfährt das Babs einmal Vorhänge gemacht bzw. verkauft hat reden wir die Hälfte der Zeit über „curtains“. Ja, Vorhänge sind eine geeignetes Thema hier in Neuseeland. Werden doch damit die sonst völlig unisolierten Wohnungen vor Kälte bewahrt.
Wir teilen uns die Wohnung mit Pushpika, einem Arzt aus Sri Lanka sowie kurz nach unserem Einzug mit Nicholas aus La Reunion. Push arbeitet im örtlichen Krankenhaus und sucht nach einem geeigneten Haus für seine Familie, die in den nächsten Monaten aus Großbritannien nachreisen wird. Nic macht ein dreimonatiges Parktikum hier. Leider zur Winterzeit. Immerhin eine gute Gelegenheit herauszufinden, wie eine Wärmflasche funktioniert. Im folgenden Bild sieht man eine typische Tratschsituation auf dem Gang der Wohnung. Ja, auch Männer schnacken gern …
Im unteren Geschoss wohnt eine liebenswert ältere Frau in ihren 70gern die im Moment Botanik an der Uni in Dunedin studiert. Unser Zimmer bietet einen schönen Ausblick über die Stadt und vom Schreibtisch sieht man den roten Ahorn vor unserem Eingang.
Dies ist es nun also. Unser neues Zuhause für die Monate Mai bis August. Ein Platz zum arbeiten, schlafen und den Winter vor der Tür zu lassen.
Und da wir nun etwas mehr Platz hatten als im Van, konnten wir uns sogar über gelegentlichen Besuch freuen. Da brate ich doch gern einmal Nils‘ weltberühmten und von Babs heiß geliebten Pfannekuchen (pancakes). Allerdings weiß ich nicht, ob die kleinen Dinger jedem genau so gut schmecken …
In der nächsten Folge gibts etwas Stadt, Land, Fluß. Die Umgebung von Dunedin, die steilste Straße der Welt und wie ein Thüringer Bratwürstchen am anderen Ende der Welt aussieht. Wir verabschieden uns mit einer Impression aus waschechtem Franzosen, vor waschechter Wand im französischen Kiwi-Stil.