Statt einer Einleitung: Zwei Fotos auf denen die Vorfreude nicht gespielt ist, weil man ja zum Glück nicht weiß was einen so erwartet, vor allem wenn man ehrgeizige Pläne verfolgt.
Endlich war es soweit. Montag, aufgeklärter Himmel um 6 Uhr in der Früh. Wir haben beide nicht so recht schlafen können vor lauter Aufregung. Immerhin hatten wir wie schon erwähnt „großes“ vor (in unseren Maßstäben, untrainiert, das letzte Mal in der fünften Klasse gewandert). Dies sollte der ultimative Einstiegstest werden. Da man die Tage zuvor genug Zeit zum planen hatte und immer wieder auf das schnell wandelbare Bergwetter hingewiesen wurde, war natürlich die große Frage: Was braucht man denn da eigentlich alles? Im Zweifelsfall eben alles. Gesagt getan, wir packten die Taschen wie für ein Bergabenteuer mit Reinhold Messner. Regensichere Kleidung, Wechselsachen, Essen und Wasser und alles was noch rein ging. Belastungstest haben wir es liebevoll genannt. Man muss ja auch mal sehen wie das dann auf mehrtägigen Wanderungen so wäre, mit dem schweren Gepäck als ständigen Begleiter.
Quasi als Sahnehäubchen, wurde die Besteigung des Vulkankraters Mount Ngauruhoe (dem Schicksalsberg, Anmerkung vom Nerd) gleich mit ins Auge gefasst, wenn man schon einmal da ist … in unserem Alter keiiiiiiin Thema. Nochmal fix ins Wanderbuch geschaut: Ui, mittlerer bis schwerer Wanderweg mit durchschnittlich 6 bis 10 Stunden Laufzeit. Wird aber von tausenden Touris jeden Alters gelaufen. Ausgenommen natürlich die Kraterbesteigung. Die macht man auf eigene Kappe mit ca. drei Stunden Extrazeit. Na das sollte doch drin sein. Einziger Knackpunkt des Wanderweges ist, man muss einen Shuttlebus buchen der einen absetzt und am anderen Ende der Route wieder abholt. Also muss man spätestens zum letzten Abholtermin durch sein.
Nun aber los! Abholung in Whakapapa mit einem Bus, importiert aus der russischen Tundra und einem Fahrer, der wohl in Indien zur Fahrschule gegangen ist. Ein perfekter Mix für die Schotterstraße zum Startpunkt. Gut nur, dass unser Frühstück in Anbetracht des frühen Aufstehens kurz ausgefallen ist.
Die erste Etappe verlief in trügerischer Gemütlichkeit entlang ausgedehnter Felslandschaften. Einzig die duzenden Leute überall entlang des Weges waren etwas anstrengend. Die ersten Kilometer ist man auf diesem Wanderweg wohl nie wirklich allein.
Das erste Stück war geschafft. Angekommen am Fuße des Mount Ngauruhoe.
Auf dem Weg dahin verlief die Strecke über einen Hang mit vielen Stufen, die erstiegen werden wollten. Allen voran ein Großmütterchen von 75 Jahren. Nicht schnell, aber konstant. Hut ab! Außerdem Zeit für Babs, sich hinter dem Tempo der alten Dame zu verstecken 😉 Nils ist (noch) wie ein junges Reh voraus gegangen. Eine kurze Pause vor der Vulkanbesteigung.
Der Berg ruft! Und wir kommen. Frisch, fromm, fröhlich und frei! Von unten betrachtet sah der Weg gar nicht so weit aus. Lediglich steil an manchen Stellen und voller Schotter. Laut Reiseführer zwei Schritt vor und einen zurück.
Leider gestaltete sich der Anstieg mit dem ganzen Gepäck ziemlich beschwerlich und rutschig. Zurück lassen wollten wir es ja angesichts unseres „Belastungstests“ nicht. Auf halber Strecke war dann für Babs Schluss. Bei ihr waren es dann eher ein Schritt vor und drei zurück.
Wir hatten ein steiles Stück an einem Felsen erreicht und Wolken begannen den Berg hinauf zu steigen. Der Fels wurde kurzerhand zum Basislager erklärt und Babs zum Herrn der Taschen. Ab da war es ein Soloprojekt für Nils. Für die Frau im Basislager war es das Warten auf heißen Kohlen, denn Auf- und Abstieg sollten Nils weitere 2 ½ Stunden kosten.
Eigentlich waren die Wolken ein Glück für mich und meine Höhenangst und Flucht nach vorn die Devise. Dabei war es nicht unbedingt der Aufstieg der mir Sorgen bereitete sondern eher wie ich anschließend wohl wieder hinunter rolle …
Zum Glück war die ältere Dame nicht auch auf dem Berg unterwegs. Wer weiß, sie hätte mich vielleicht überholt. Einige „Augenblicke“ später erreichte ich den Gipfel. Die Belohnung war ein herrlicher Ausblick über die Wolken und in den Krater des ruhenden Vulkans.
Ich fand sogar einen netten Fotografen um mich auf dem Gipfel bildlich festzuhalten. Bei jetziger Betrachtung frage ich mich warum ich nicht ein wenig bessere körperliche Verfassung während des fotografierens geheuchelt habe. Naja, ich sehe eben so aus wie ich mich fühlte und das ist auch gut so. Gerne hätte ich den Fotografen gefragt ob er mir väterlich auf die Schulter klopfen könnte. „Gut gemacht Junge!“ Das nächste Mal vielleicht.
Die ganze Plackerei für fünf Minuten Ruhm mit Ausblick. Gerne wieder, in 10 Jahren oder so.
Zu guter Letzt noch ein paar Impressionen vom Abstieg. Der war dann zumindest genauso wie zuvor vermutet. Rutschig und wackelig, dafür aber steil und mit tollem Ausblick in die Tiefe.
What a ride …
Der Typ links im Bild ist mir bis heute ein Rätsel. Stand einfach da und verschickte SMS. Wollte er Hilfe per Hubschrauber anfordern, Freunden vom gelungenen Aufstieg berichten oder gar der Freundin angesichts des harten Abstiegs pro forma Lebewohl sagen? Ich werde es wohl nie genau wissen.
Von fern schon sah ich Babs im Basislager sitzen. Mit großen Augen sah sie mich an und ich hab sie mir gleich geschnappt und in die Arme genommen. Eine dumme Idee sich am Hang zu trennen, ohne zu wissen ob es dem anderen gut geht und ob er wohlbehalten zurück kommt und nicht vielleicht noch vorbei läuft (bei meinem Orientierungssinn nicht ganz ohne) Aber hat ja alles geklappt. Weiter ging es mit neuem Mut. Der verging mir dann schon bald angesichts der Tatsache, dem aufmerksamen Leser ist es bestimmt nicht entgangen, dass ja gerade einmal Etappe 1 des Weges gemeistert war. Frisch voran also zu weiteren 12 Kilometern Wanderweg, bei 4 ½ verbleibenden Stunden bis zur letzten Abholung. Dummerweise habe ich mir vorher nicht das Höhenprofil der Restroute angeschaut, sonst hätte ich gewusst das noch einige Höhen und Tiefen gemeistert werden müssen. (Nein der blaue See in der Ferne ist noch nicht das Ende)
Die brachten mich an den Rand meiner Kondition und machten Babs zum fröhlichen Bergführer der den Nils bei Laune hielt und ans andere Ende brachte. Erstmal wurde ich mit ein paar Kalorien vollgestopft, denn das Essen hatten wir bis dahin schlichtweg vergessen. Zum Glück war die Babs ein wenig ausgeruhter und voller Tatendrang zum fotografieren. Andernfalls hätte es keine weiteren Bilder gegeben. Ich hatte jedenfalls nur Ankommen im Sinn!
Glücklicherweise hat sie drauf gehalten und so den bestiegenen Vulkankegel aus der Ferne sowie den leuchtenden Red Crater festgehalten.
Vorbei an den türkisen Emerald Lakes entlang des Weges.
Außerdem den Blick zurück auf die gemeisterte Wegstrecke. Leute waren kaum noch zu sehen oder überholten uns flink wie Wiesel.
Als der Weg wieder ebener wurde verbesserte sich sogar meine Laune wieder, kein Wunder, denn von den eine Million Treppenstufen am Ende wussten wir nichts und Babs hatte bezüglich der verbleibenden Zeit gemogelt um mich in Sicherheit zu wiegen.
Trotz all dem ist es ein wirklich schöner Wanderweg mit unzähligen wunderbaren Ausblicken. Durchaus machbar für jedermann bei realistischer Einschätzung der eigenen Fitness, genügend Pausen und möglicherweise ohne Nebenausflüge zu irgendwelchen Berggipfeln. Aber was will man machen. Er war nun mal da und da wollte ich eben hinauf …
Im letzten Abschnitt ging es kontinuierlich bis in den Wald in der Mitte des Tals.
Am Ende schließlich haben wir den Bus gerade noch erwischt und alles war gut.
Leider war es der selbe Bus mit dem selben Busfahrer. Da er an seinem Fahrstil nichts geändert hatte und sich auf seinem Sitz in jede Kurve gelegt hat als würde er Motorrad fahren, kam es, dass sich unser Bus ca. 2 km vor erreichen unseres Parkplatzes verabschiedete. Kaputt, Busfahrer ratlos. Wir waren die zwei einzigen Fahrgäste und nicht gewillt auch nur noch einen Meter zu laufen. „Hilft nix“ sagte der Busfahrer. „Ich hab kein Telefon hier und erreiche niemanden“ Wenn es uns nichts ausmacht, könnten wir doch freundlicherweise im nächsten Ort nach unserer Ankunft sein Busunternehmen informieren damit sie ihn da abholen. An diesem Punkt wäre ich wahrscheinlich zum Busfahrermörder geworden wenn nicht just in diesem Augenblick ein Auto angehalten hätte, das uns bis zu unserem Parkplatz brachte.
Der Abend endete mit dem Gefühl 80 Jahre alt zu sein. Der nächste Tag, mein Geburtstag, begann genauso. Immerhin haben wir es bis hinauf in das Skigebiet vom Mount Ruapehu unweit des Örtchens Okahune geschafft. Ein gelungener Ausklang für den Tongario National Park und ein schönes Fleckchen für ein stärkendes Frühstück mit wunderschönem Blick in die Ferne. Wer will da Breakfast at Tiffanie`s ?