Es ist August und es ist immer noch Winter. Hier in Neuseeland, am anderen Ende der Welt. Wir sind zurück gekehrt zum Mount Cook National Park. Im Winter scheint der kleine Ort recht menschenleer. Die Wanderwege liegen einsam vor uns und nur eine handvoll Besucher ist hier und da zu sehen. Unser Domizil ist das örtliche YHA, die Jugendherberge. Es gibt eine Sauna. Die erste die uns hier in Neuseeland in freier Wildbahn begenet ist. Doch unser eigentliches Ziel ist viel höher gesteckt und nicht ganz so warm.
Der Tasman Gletscher in den Alpen um Mount Cook. 29 km lang, 4km breit und bis zu 600m tief. Was für Traummaße für so ein schönes Stück Eis. Eines steht fest: ich will auf jeden Fall mal daran knabbern. Wir beschließen einen Rundflug nebst Landung auf dem Gletscher inmitten der Berge mit Mount Cook Ski Planes. Erfreulicherweise hat unser Fotoapparat beschlossen, bei den kalten Temperaturen einen kleinen Winterschlaf einzulegen. Hier in der winterlichen Pampa gibt es weit und breit keinen Ersatz. Mit verheulten Gesichtern wanken wir den Gängen der Herberge entlang. Babs Make-Up ist verlaufen und ich schwanke von Wand zu Wand. Wer hätte gedacht, dass wir sie so vermissen. Die Kamera … die Gute. Doch das Schicksal meint es gut. Von Tränen geblendet, wanke ich in ein englisches Mädchen. Sie erkennt die Misere und bietet sogleich ihre Einwegkamera als Retter in der Not an. Vielen Dank meine Liebe! Wo tue ich denn da den Speicherchip hinein, meine Gutste? Ach, ja klar, eine Analogkamera, kenne ich natürlich noch. 5 Dollar später sind wir also stolze Besitzer einer Einwegkamera. Das scheint die kleine Digitale nicht auf sich sitzen lassen zu wollen. Sie erwacht mysteriöserweise aus dem Dornröschenschlaf. Was solls, das Trauern ist vorbei. Auf zum Büro der Fluggesellschaft!
Ah, sie meinen das Wetter sei nicht „optimal“?! Up-drifts, bumpy ride, but all safe! Hä? Na muss man ja nicht alles so im Detail wissen. Ich beruhige Babs und bewege sie zum Start. Immerhin ist die Machine schön klein, sodass man jederzeit mit dem Piloten die Details des eventuellen Absturzes persönlich besprechen könnte. Los gehts dann.
Wir überfliegen das Tal das wir schon einmal im Sommer bewandert haben, vorbei am kleinen Örtchen Mt Cook Village. Um uns herum wachsen die Berge und die Innernraumgeräusche. Ist ganz normal sagt der Pilot, denn schließlich ist es ja heute „windy“.
Vorbei an einigen anderen Gletschern der Region halten wir auf den Tasman Gletscher zu. Unsere Landebahn und Spielwiese für die nächsten 20 bis 30 Minuten. Der Pilot betätigt im Schweiße seines Angesichts eine Handkurbel. Uns beschleicht das leise Gefühl, dass er dadurch nicht die Kufen ausfährt, sondern den unteren Teil des Fliegers abwirft. So hört sich das jedenfalls an. Aber er scheint Frau und Kinder zu haben. Dann sind wir ja sicher … aber was wenn der Haussegen schief hängt … hmmmm wie auch immer.
Wir landen und können sogleich für ein Foto posieren. Mein Lachen entspringt dabei den Muskelverkrampfungen die vom Festbeißen im Sitz des Piloten während der Landung entstanden sind. Völlig verwirrt versucht sich Babs zu setzen. Das sich da gar kein Stuhl befindet fällt in diesem Moment der Freude niemandem auf. Erst der Fotobeweis bringt an dieser Stelle wirkliche Klarheit.
Ist schon unglaublich, auf 400 bis 600 m dickem Eis zu stehen, welches seinen Weg viele tausend Jahre vor unserer Entstehung schon begonnen hatte. Voller Eherfurcht und Erstaunen machen wir das einzig angebrachte in dieser Situation: Schneeengel, werfen Schneebälle und verquatschen uns länger als geplant. Wie kann das sein, frage ich mich, da ja bekanntlich jeder weiß, dass ich mich nie zu langen Gesprächen über Belanglosigkeiten hinreisen lasse. In einem unbeobachteten Moment kann ich sogar kurz am Eis schlecken. Was soll ich sagen, dass beste Eis das Mutter Natur mir je bot! Kalt und geschmacklos. Ein weiterer Flieger landet und nimmt eine Bergexpedition wieder mit zurück in die bebaute Welt. Unser Pilot merkt an, dass ab und zu solche „Stinkies“ transportiert werden müssen. Aber nach zwei, drei Wochen ohne Dusche und allerlei Kletterei sind die Freunde dann nicht mehr ganz so frisch. Aber wenn der Berg ruft, dann ruft er eben. Ab ins Flugzeug und auf zu einer Runde um den Block.
Um den „Block“ gab es schließlich noch mehr Schnee, Firneis und so einige Berge. Am Ende sind wir wieder gut gelandet. Aufgrund der starken Winde konnten wir nicht wie geplant bis zur Westküste weiter fliegen. Die schauen wir also ein ander Mal an.
Den Abschluss des Abends bildet das Old Mountaineer’s Cafe, dass wir bei unserem ersten Besuch nur kurz zu Gesicht bekamen. Voller Erinnerungen an die frühen Zeiten des Bergsteigens am Mount Cook und einer guten Auswahl an Essen. Ich bestell dann erstmal ein Eis. Diesmal werde ich es aber sicherheitshalber in meinen Mund fliegen lassen.
Am nächsten Morgen begrüßt uns die Bergwelt mit Sonnenschein.
Wir gehen nocheinmal auf Spritztour. Über Stock, über Stein, zu den Bergseen und müssen dabei nicht mal gegen viel Schnee ankämpfen.
Wir verlassen Mt Cook in Richtung Wanaka. Wenige Tage nach unserer Abreise beginnt es zu schneien im Mount Cook National Park. Die Wege auf denen wir entlang spazierten sind unpassierbar und eine Bergsteigertruppe gilt als verschollen. Ihr Schicksal bleibt ungewiss für uns. So ist sie die Bergwelt. Wandelbar, Wunderbar und manchmal auch Unberechenbar.