Natürlich verirren sich auch Hobbyrennfahrer verschiedenster Nationen hier ins schöne Neuseeland. Ganz zu schweigen von den hausgemachten Boyracern. Auto tiefer gelegt, so unscheinbar wie möglich präpariert und selbstverständlich werden die Reifen alle paar Tage nach einem fachgerechten Burnout gewechselt.
Aber wer mit einem Working Holiday Visa bestückt nach Neuseeland kommt, hat leider meist nicht die Zeit für ein fachgerechtes Autotuning. Vielleicht liegt es aber auch am nötigen Kleingeld. Oder wie könnte man sich sonst die riesige und rostige Flotte der Altachtundsechziger hier erklären? Der findige Leser merkt hier natürlich sofort, dass es sich dabei um die Autos und Busse der Scharen von Backpackern handelt.
Sicherlich wäre auch mit schnellen Autos hier in Neuseeland niemandem geholfen. Die Straßen winden sich gebogen unter den Reifen entlang und haben auch sonst so gar nicht den Charakter einer Hochgeschwindigkeitsstrecke. Natürlich sollte man auch die Landschaft nicht vergessen. Viel zu schön, um daran vorbei zu rauschen. Schnelle Autos kann und sollte man dann doch lieber auf der größten, einzig international und überall anerkannten Sehenswürdigkeit Deustchlands nutzen: der Autobahn. Jedem Hobbyauswanderer würde ich hierzulande jedoch die geräumige, die Natur übertrumpfende, die spritschleudernde Alternative ans Herz legen. Den allradbetriebenen Männertraum, das Überallfahrzeug, kurz ein Auto, das „Explorer“, „Jeep“ oder „Ornanierer == Pajero“ im Namen trägt.
Während wir aufgrund der Strecke wieder einmal etwas langsamer unterwegs sind und der ein oder andere Autofahrer freundlich grüßt nachdem er uns überholen konnte, stellen sich gleich 3 Erkenntnisse ein. Erstens, der Rote Baron fährt nur so schnell wie er möchte. Zweitens, spätestens nach dem Lookout haben uns diese drei aufgemotzten Autos wieder vor der Nase, denn wir halten hier garantiert nicht an und Drittens, wer hinter dem Roten Baron fährt, während es bergauf geht, weiß wie Benzingase nach kurzer Zeit eine Begehrlichkeit fürs Klebstoffschnüffeln wecken.
Alles in allem ist der Haast Pass natürlich nicht wirklich schwierig zu befahren. Dazu reicht eine motorbetriebene Achse voll aus. Die Straße schlängelt sich grazil durch Berg und Tal, vorbei an schneebedeckten Bergeshöhn, vorbei an allem was die neuseeländische Baumwelt zu bieten hat und natürlich ist auch ein Flüsschen nie weit weg. Und bei der Geschwindigkeit, die wir bergauf erreichen, überlege ich mir schon fast, ob es sich lohnen könnte die Angel auszuwerfen. Beim Hochseefischen klappt das ja auch.
Irgendwann schließlich kann man dann nicht anders. Man parkt, steigt aus und springt am Ufer eines der viele Flüsse entlang um sich die Beine zu vertreten. Zeit für ein Bad oder nur um die Hände zu waschen, angeln, Wäsche waschen oder einfach nur, weil man mal wieder nach Pounamu ausschau hält. Ein 70 Kilo Steinchen dieser wunderbaren neuseeländischen Jade sollte ausreichen, um auch dem Roten Baron ein ordentliches Tuning zu ermöglichen. Natürlich nicht tieferlegen oder so etwas absurdes. Nein, eine eingebaute Popcornmaschine, eine Heizung, Kühlschrank und eine Lüftung für den Ort an dem mein Fischköder lagert.
Wenn es Nacht wird in Neuseeland, dann gehen auch bei uns die Jalousien herunter. In unserem Fall sind es meist Handtücher aus ökologisch angebauter Baumwolle. Klar, der Isolierwert ist niedrig und jedes hat eine andere Farbe. Aber so muss man sich auch nie die Mühe machen, um am Morgen aufwendig nach etwas zum abtrocknen zu suchen. Hier also ein Einblick in 5 Quadratmeter Gemütlichkeit. Alles inklusive langer Unterhosen und Festbeleuchtung.
Da wir in Haast keine Unterkunft finden geht es in Richtung Jackson Bay. Ein kleiner Campingplatz mitten im Wald. Das trifft sich prima, denn ich habe einige Dinge zu erledigen und spüre obendrein das zwingende Verlangen, mich mit Deutschland in Kontakt zu setzen. Kein Problem, gibt es doch vor Ort eine überaus unerschwingliche Satellitenverbindung zur Welt da draußen. Leider wird aus der „easy“ kabellosen Verbindung eine jagt mit Laptop und Rucksack quer durch Campervans, Versorgungshütten und Aufenthaltsräumen des Parks. Am Ende gelingt mir die Verbindung, weit reiße ich meine Hände mit geballter Beckerfaust in die Höhe als … der Satellitenuplink zusammen bricht. Biberkacke. Warum der Abend trotzdem noch gerettet wurde? Das haben wir Familie Stuart zu verdanken. Mit Kind, Kegel und ein paar von Franks Freunden von der Arbeit sind sie zum Whitebait fischen angereist.
Frank und sein Kumpel verlegen Weidezäune in den Hochlandregionen Neuseelands und wissen ganz genau wie der Hase läuft. Bevor die Arbeit losgeht, muss getankt werden. Wahlweise Bier und Wiskey. Frank, die Stuarts und ihre Freunde haben offensichtlich ihren Tagespegel überschritten. Denn als sie sich zu einer plauschigen Runde um uns am Tisch versammeln, beim Reden die Bröckchen fliegen und Frank aus dem Schlafzimmer der Kinder unter lautem gepolter Biernachschub holt (Yeah! We call it Freibier.) merken wir das Franks Freund den leeren Stuhl neben uns anschaut, wenn er mit uns spricht. Erstaunlich ist, dass Frank und er, während sie „angeln“, jeder 20 Bierdosen vertilgen und mit Wiskey nachspülen. Abends dann, wie sollte es anders sein, stimmt Franks Frau mit ein. Die allerdings trinkt ein reines und softes Frauengetränk. Rum, unverdünnt. Ich frage mich was die Kinder bekommen. Alkopops, um leicht einzusteigen in die Familientradition?
Schließlich ist es auch Frank, der uns die Lektion des Tages offenbart, nachdem wir fragen wie sie dieses Pensum bloß durchstehen. Die Antwort ist denkbar einfach: „It’s not a holiday for the body, you see.“ Was lernen wir daraus? Der starke Geist triumphiert wieder einmal über den Körper.
Der nächste Morgen bringt uns näher an die Jackson Bay heran. Auf unserem Weg treffen wir Delphine, die wir promt nach dem Weg fragen. Ein herrliches Land.
Es hat angefangen zu nieseln. Nach kurzer Absprache mit meiner Socke, entschließe ich mich dennoch kurzerhand den Aufenthalt in Jackson Bay zum Angeln zu nutzen. Babs beschließt mir nicht zu folgen und zu lesen. Aber was könnte es schöneres geben, als bei Nieselregen ungestört zu angeln.
Natürlich habe ich auch an diesem Tag nichts gefangen, das einen Fischmord rechtfertigen würde. Allerdings wurde ich von einer Pelzrobbe mit einem lauten Schniefen überrascht, die mir freundlich Hallo sagen wollte. Danke kleiner Freund, auch wenn ich fast die Hosen voll hatte und fast ins Meer gehüpft wäre. Ich gebe es zu. Ich erwarte, dass eines Tages ein riesiger Wal nach oben schwimmt, angelockt von meinem Fischköder und den ganzen Steg einreist. Ja, so gefährlich leben wir Hobbyfischer.
Und was kommt pünktlich mit dem Sonnenschein? Die Abreise natürlich. Ohne Fisch, dafür aber mit Äffchen, geht es in Richtung Fox Gletscher. Go Speed-Racer, go!
Die Whitebait-Fischer schlafen womöglich noch ihren Rausch aus. Ihre selbst gebauten kleinen Fangstationen sind jedoch weithin sichtbar auf dem Weg nach Norden.
Die Straße führt uns oft ganz nah an der Küste entlang. Inklusive wundervoller Ausblicke und einer mit dem Lineal gezogenen Grenze der immerfeuchten Wälder zur Küste.
Am Fox Gletscher angekommen werden sofort die Wanderschuhe ausgepackt. Ein riesiger alter Fuchs erwartet unsere Begutachtung. An der ersten Absperrung angekommen, wird die Zeit für einen Blick über das Tal und den Gletscher genutzt. Kurz danach wird diese dann wie üblich überschritten. Wir nähern uns dem kalten Giganten bis auf Wohlfühlabstand.
Über Stock und über Stein folgen wir dem Geröll und den Schmelzwasserflüsschen bis zum Fuße des Gletschers. Vielleicht nicht ungefährlich und vielleicht nicht angebracht. Immerhin sollten erfahrene Touristenführer gebucht werden, um sich mit Spitzhacke und Stiefel den Weg bis nach oben zu ebenen. Wir begnügen uns mit der „Von-Unten-Ansicht“ und schauen auf zehntausende Jahre altes Eis, dass sich, Klimawandel sei dank, auch hier immer schneller zurück in flüssiges Wasser verwandelt.
Unsere Kuriosität des Tages bildet eine kleine Münze irgendwo im Geröll inmitten der eisigen Falten des Gletschers. Eine weitere Glücksmünze in unserer Sammlung. Wahrscheinlich sogar eine aus dem prähistorischen Neuseeland.
Ein letzter Blick zurück und nach vorn. Der Baron friert sicherlich schon bei all dem Eis.
Und endlich treibt auch ein kleines Stück Ur-Eis an uns vorbei. Nun also kann ich mal einen echten Gletscher abschlecken. Babs hält sich bescheiden zurück und überlässt den Brocken mir. Mein bisher ältestes Eis ohne Stil. Das wäre sicherlich auch für Cuba Libre geeignet gewesen.
Nach so einer leicht bekömmlichen Mahlzeit bleibt uns nur der Weg zurück ins Basislager. Wir werden erwartet. Auf mich wartet etwas Arbeit und Mr. Speights. Babs wird heute von der Campingküche und den Frohlockungen des Outdoor-Kochens herbei gesehnt. Und so romantisch mir jetzt die Arbeit unterwegs erscheint, so glaube ich, dass die größte Herausforderung jedes mal die Steckdose war. Eine zu finden kann schon mal bedeuten, den Wasserkocher zu entführen, um die freie Dose zu bekommen. Und während sich die Reisenden und Camper so langsam auf den Weg ins Bett machen, um am nächsten Tag ausgeschlafen nach dem verschwundenen Wassserkocher zu suchen, sitze ich am kleinsten und freiesten Büroarbeitsplatz der Welt und bin verbunden mit der großen weiten Welt. Ich denke man kann sagen, dass ich das Homeoffice 2.0 erfunden habe. Das Rumtreiberoffice. Sprechstunde nur nach Vereinbarung von Ort und Zeit oder weil man zufällig grade auch da ist. Gerne kann auch gegrillt werden.
Ein neuer Morgen und nur noch wenige Tage Zeit bis Picton. Unser erster Kontakt zu Freunden aus der alten Welt erwartet uns. Wenn man da nicht aufgeregt ist, nach fast einem Jahr Zweisiedlerei. Und endlich können wir mal live, beim vom uns meist verschickten Postkartenmotiv, anhalten. Dem Lake Matherson. Ein kurze Schlenderei um diesen Spiegelsee, eingefasst wie ein kleiner Edelstein inmitten eines Ringes aus Bergen, die auf jeder Müslipackung ein gutes Bild machen würden. Und wie jeder hier versuchen wir ein grandioses Bild, der im See gespiegelten Berge zu bekommen. Es gelingt uns nicht.
Mag am trüben Tag liegen. Oder auch daran, dass wir noch nie viel Lust dazu hatten, alle Zeit der Welt daran zu setzen das perfekte Bild zu schießen. Warum die Welt immer nur durch die Linse sehen zu müssen für so vielen Menschen zur Obzession wird. Am besten beobachten kann man das eigentlich an fast an jedem schönen Fleck dieser Erde an den viele Touristen kommen. Wenn ich dann so vor mich hinsehe und mir die untergehende Sonne anschaue oder die Tautropfen im Wipfel der Bäume, dann kann ich sehen wie die Tasten der Fotoapparate anfangen zu glühen. Menschen verrenken sich, grinsen blöd, posieren und schiessen geschätzte dreißigtausend Bilder in der Minute. Zum Glück kann man heutzutage alles am Minimonitor verfolgen, sonst hätte man wahrscheinlich einen kastenförmigen Okularabdruck am Auge. Vielleicht ist das auch so, weil man nur so wenig Zeit hat, wenn man im Urlaub ist.
Das sind die Momente in denen wir uns glücklich schätzen können, hier am anderen Ende der Welt vor allem eines zu haben, Zeit. Zeit an einer x-beliebigen Stelle der Straße anzuhalten, um zu Frühstücken, egal ob das laut Reiseführer der beste Platz des Landes dafür ist. Zeit einfach nur den uralten Wald zu beobachten, indem sich bestimmt gerade Wekas mit Kiwis um den besten Schlafplatz streiten oder die kleinen Steine im Fluß. Zeit, um mit dem alten Besitzer eines Secondhand-Buchladens über sein Leben zu plaudern und den besten Carrot Cake im Stehcafe um die Ecke zu essen, weil man gerade mal da ist.
Und so kommt es auch, dass wir an folgendem Strand angehalten hatten. Einfach so. Ich kann mich nicht mal an den Namen der Gegend erinnern. Wer ihn gern auch mal besuchen möchte achtet einfach auf folgendes Straßenschild und biegt dann ab.
Auf jeden Fall war Strand 234 sehr gut besucht. Kleine Austernpicker kreischen mal wieder die kleinen Steine am Strand an und anschließend sich selbst. Robben sonnen sich und niemand sieht ihnen dabei zu. Na zumindest 99,9 % des Jahres ist das wohl so. Heute haben sie alle Besuch. Gestört hat sie das freilich nicht. Und so haben wir dieses Mal zwar keinen Carrot Cake, aber immerhin den besten Ausblick der Welt. Jedenfalls in diesem Moment, zu dieser Zeit und genau an diesem Ort.
Wird man allerdings beim entdecken entdeckt, nimmt der ein oder andere Strandbewohner natürlich reisaus. Ganz voran die Kleinsten. Paparazzi kann eben keiner leiden.
Greymouth hat uns ein weiteres Mal zu Gast, wenn auch nur für eine Nacht. Und statt grau ist mal alles … blau. Die Sonne geht und wir bleiben. So einen Sonnenuntergang sollte man nicht unbeaufsichtigt lassen.
Der nächste Morgen läutete dann auch endlich einen der beschriebene Frühstücks-irgendwo-stopp-Tage ein. Schnell aufstehen und losfahren, da man mal wieder verbotener Weise irgendwo übernachtet hatte und weiter bis zur nächst schönsten Straßenbucht. Gemütlich Zähne putzen, Sandflies abwehren und einen aromatischen Kaffee aus der Blechtasse genießen.
Nach so viel Gemütlichkeit war Shopping angesagt. Der nicht kühlende Kühlschrank im Roten Baron muss mal wieder aufgefüllt werden. Und als der volle Einkaufswagen verladen ist, streik unser Baron plötzlich. Er will sich erst nicht öffnen lassen und anschließend nicht mehr schließen. Und so wird in Murchison angehalten, um einen unserer vier Schraubendrehen auszupacken. Ein kurzer Blick hinter die Abdeckung verrät: Der Vorbesitzer war anscheinend ein meister der Origami-Reparatur. Mir fällt ein Taschentuch entgegen, das scheinbar all die Tage zuvor den Türdrückermechanismus reguliert hatte. Zeit, dass das mal professionell repariert wird. Mit Superklebeband, etwas Holz, einem Gummi und etwas Öl. Hält mindestens doppelt solange wie ein Taschentuch.
Picton ist nun nicht mehr fern und ich kann den Nachmittag nutzen, die Angel den Wellen entgegen zu werfen. Babs widmet sich der häuslichen Ordnung und ihren Magazinen. Immerhin soll der Baron morgen einen guten Eindruck machen.
Um in der wilden Brandung als wahrer Angler bestehen zu können habe ich vor allem eines gelernt. Schneller zu sein als die Wellen. Zieht sich das Wasser zurück rennt man auf die See zu, wirft ungeziehlt die Angel aus und rennt los was das Zeug hält. Was für ein Nachmittag. Boom Baby. Den Namen von diesem Strand habe ich allerdings leider auch schon wieder vergessen.
Bei so einer perfekten Technik brauche ich natürlich nicht über die Angelerfolge sprechen. Ich sage nur soviel. Zum Abendessen gab es schöne, leckere, perfekt gebratene … Nudeln. Und fast hätten wir uns auf der wunderbaren Abkürzungsstrecke noch um das Vergnügen einer Unterkunft für die Nacht in der Nähe von Picton gebracht. Und dann hätten wir außerhalb campen müssen. Und das hätte wiederum ein frühes Aufstehen zum rechtzeitigen Abholen unserer Gäste bedeutet.
Aber zum Glück haben wir es noch rechtzeitig geschafft. Und der Scenic Drive nach Picton kann sich sehen lassen. Es wird nicht nur staubig, sondern auch recht holprig. Und so kam es, dass unser kleiner Freund der Basilikum disloziert wurde. Ein schönes Wort zum nachschlagen und unser ganz persönlicher Beitrag zum Bildungsauftrages des Internets. Abgestürtzt ist der kleine trotz des Fremdwortes leider aber trotzdem. Aber kein Grund zur Panik. Er wurde rechtzeig vorm Verdursten wieder umgepflanzt.
Das war es also. In 80 Tagen von Bluff nach Picton. Das hätten Phileas Fogg und Passepartout auch nicht besser hin bekommen. Natürlich haben sie es in der selben Zeit einmal um die ganze Welt geschafft. Aber wer will das schon in nur 80 Tagen …
Bis die Tage,
die Rumtreiber